In den Eigenschaften Ehrlichkeit und Echtheit liegt die große Chance, insbesondere für kleinere Unternehmen. Wer zu klein ist, um mit den großen Hunden zu bellen, muss diese Schwäche zur Stärke machen. Prof Sven Henkel von der EBS Universität sagt: "Eine Marke ist nur authentisch, wenn man das Gefühl hat, dass sie gegenüber Kunden und sich selbst ehrlich ist – und vor allem, dass sie sich selbst treu bleibt." Nur dann kann die von allen begehrte externe Markentreue entstehen. Dafür braucht es Kontinuität in der Marken-(weiter-)entwicklung, Glaubwürdigkeit und Integrität; außerdem die Fähigkeit, diese Eigenschaften im Kundenkontakt immer wieder neu auszudrücken und zu symbolisieren. Werden die Grundfesten der sich daraus ergebenden Authentizität nur einmal erschüttert, kommt Skepsis beim Kunden auf, und die stabile emotionale Markenbindung weicht durch.

Klingt ziemlich theoretisch, ist aber wahr. Beim Genuss der legendären Currywurst im Sansibar auf Sylt (jawohl, "in der Sansibar" sagen nur Möchtegerns) ist schon so mancher Veganer vom Weg seiner Tugend abgekommen. Kredenzt in der Bretterbude in den Rantumer Dünen und serviert mit dem perfekt temperierten Glas Sancerre, macht sie schnell vergessen, dass da wenig Bratwurst mit viel Ketchup und viel Currypulver auf dem Teller liegt. Klar, die verkaufen gar keine Currywurst, sondern ein einzigartiges Markenerlebnis, das nur sehr begrenzt skalierbar ist. Auf den ersten Blick sind da Kooperationen mit Air Berlin selig und Breuninger Land für Herrn Seckler, den Chef vom Ganzen, sehr verlockend. Auf den zweiten geht mit jedem neuen Kontaktpunkt, der nicht originär spürbar mit dem Thema Sylt verlinkt ist, ein bisschen von dieser Besonderheit und Einzigartigkeit, dazu ein bisschen viel von der Hochpreisbereitschaft verloren: In der Sansibar by Breuninger auf der Kö in Düsseldorf zerzaust kein Wind die Haare, bei Air Berlin lagen kein Salz, keine Gischtpartikel vom Flutsaum der Nordsee in der Luft. Sylt-Feeling kam da nicht auf, wo die Beinfreiheit unfrei machte und der Sitznachbar nach Mettbrötchen roch. Air Berlin ist zwar Geschichte, aber eines bleibt: Lange Zeit konnte der wahre Sansibar-Fan allein schon wegen der Sylter Übernachtungspreise sicher sein, in Deutschlands berühmtester Holzbaracke unter seinesgleichen zu bleiben. Inzwischen nicht mehr. Inzwischen gibt es das für Krethi und Plethi sogar online – und bei Breuninger auch offline.

So ist "transformativ" nicht gemeint. Eine starke Marke wird beliebig und wandelt sich zum schlaffen Märkchen. Wahrlich disruptiv wäre jetzt, dass sie Macher auf Sylt sich ans Flipchart stellen und all das wegstreichen, was da mit den Jahren so an Spin-offs gewuchert ist und Air Berlin nicht geschafft hat, im Sinne der wieder erstarkenden, wieder unwiderstehlich begehrlichen Marke zu erledigen.