Sachen gibt‘s, die gibt‘s gar nicht: Schwer erziehbare Schüler verbringen ihre Zeit nicht mehr damit, andere schwer erziehbare Schüler zu verprügeln. Stattdessen sitzen sie einträchtig beieinander und – häkeln. Mützen, die aussehen wie früher die Klorollenschoner auf der Hutablage, nur ohne eingestickte Autonummer. Cool ist nicht mehr der, der an der Tätowiernadel hängt, sondern der, der die Häkelnadeln am kunstvollsten durch die Wolle führt. War die selbst gemachte Mütze mit dem dicken Bommel früher das Oneway-Ticket in die soziale Isolation, kann die Kopfbedeckung heute nicht handgemacht genug aussehen. Schuld an der neuen Lust am Spießern, stellt Prof. Henkel von der EBS Universität fest, sind zwei Jungunternehmer aus Hof, die auf den ersten Blick mit "cool" so viel zu tun haben wie der Schweinsteiger mit Goethes Faust: Thomas Jaenisch und Felix Rohland sind 2008 auf einem Austausch für Skilehrer in Japan, als sie akute Langeweile befällt. Da zeigt ihnen die spanische Mitschülerin am warmen Ofen, wie man häkelt. Nach wenigen Stunden sind die ersten Mützen fertig. Schon am nächsten Tag gehen die für zehn Euro das Stück an ein paar Wintersportler aus Australien. "War halt kalt am Kopf", erinnern die Founder, "da waren die Boshis genau das Richtige." Das ist japanisch und heißt Mütze. 

Wie naturgut drauf muss man sein, um das Einmalerlebnis mit der Spanierin und den Australiern in Japan in ein Ladenlokal in der Hofer Fußgängerzone zu verlängern? "Des is a Sucht", sagen die zwei und berichten von langen Häkelabenden vor dem Fernseher, um die Orders von Freunden und Bekannten abzuarbeiten. Bald erfolgt die Gründung des ersten Handarbeitsshops unter dem Label Myboshi. Die Vision: Jeder Kopf hat seinen ganz eigenen Deckel. Der Durchbruch gelingt mit der Einführung des Mützenkonfigurators im Internet: Form, Farben, Muster. Die Modelle heißen Sapporo, Gifu, Ichikawa. Nach zwei Wochen steckt die Wunschmütze im Briefkasten. Die Idee trifft den Do-it-yourself-Zeitgeist voll auf die Zwölf. Myboshi verkauft bald 80.000 Mützen im Jahr, für 40 Euro aufwärts. Handwerk hat damit tatsächlich den wahren goldenen Boden, da kommen Beratung und Lehre nicht mit. Dass sich dieses Volumen nicht mehr durch die fingerfertigen Start-upper allein bewältigen lässt, liegt auf der Hand. Mittlerweile arbeitet ein ganzes Heer sogenannter Häkelomis für die Bürschchen. 7 Euro netto gibt es für die pro Kappe, und die Damen sind runter von der Straße. Sie empfinden die Arbeit nicht als Arbeit und das Geld als nettes Zubrot für das, was sie sowieso am liebsten machen. Dazu gibt es die Website mit Wolle und Häkelanleitungen und flächendeckend Läden, die die Ware führen.

Jüngst gehören Jaenisch und Rohland zu den Finalisten beim Deutschen Gründerpreis. Und die Medien gehen ab wie die Lucy – endlich mal wieder guter Content! Die "fabelhaften Boshi-Boys" (Der Spiegel) sind überall. Das hindert aber nicht daran, weiterhin selbst zur Nadel zu greifen. Der Rummel scheint sie eher zu wundern als zum Superstar-Höhenflug zu animieren. Häkler, bleib bei deinen Nadeln. Es ist diese entwaffnende Unbekümmertheit und Echtheit, die den Erfolg ausmacht. Myboshi reitet die Selbermachwelle, ohne sich selbst zu wichtig zu nehmen. Mit den Häkelomis, sagen sie, haben sie tatsächlich so was wie ein Oma-Enkel-Verhältnis. Und wer die zwei so bescheiden im Publikum der Gründerpreis-Verleihung sitzen sieht, wird das Gefühl nicht los, dass die so sind, wie sie rüberkommen. Das haben Markenfans besonders gern.